Der Unterschied von noch und wieder

Der Kinderwunsch nach dem Tod des eigenen Babys ist ja etwas sehr persönliches, individuelles. Dabei spielt es für mich keine Rolle ob früher Abgang, MA oder Totgeburt bzw stiller Geburt, denn der Verlust ist immer da. Eine Ausschabung kann für den Körper schwerer zu verarbeiten sein als eine stille Geburt und umgekehrt, jede Frau und jeder Körper ist anders und das ist einfach Fakt.
Aber eine Frage sollten wir Sternenmamas uns doch ehrlich stellen und ich nehme mich da ganz gewiss nicht raus: Will ich noch schwanger sein oder wieder?
Im Moment schlafe ich schlecht ein und je länger ich so daliege und versuche einzuschlafen, desto munterer wird mein Hirn: "Hey Alte, du hattest zwar den ganzen Tag Zeit zum Denken aber ich hab da ein paar wichtige Dinge vergessen, absolut zukunftswichtig und oberdringend, es wäre also gut wenn du direkt darüber nachdenken könntest und nicht einfach einschläfst, los weg da ihr Schäfchen! Jetzt wird nachgedacht, fang an zu grübeln, Zukunftsszenarien, super, da seid ihr ja!!...".
So, oder so ähnlich geht es zur Zeit Nacht für Nacht für Nacht... Zwiegespräche mit meinem Goldstück, Gedanken um meine Zukunft, berufliche Wünsche, 5-Jahres-Plan, To-Do Liste für den nächsten Tag, Essensplan, Putzplan. Mein Hirn ist ein etwas zwanghafter Planer, dabei wäre ich selber doch so gerne total spontan. Allerdings hört meine persönliche Spontanität bereits dann auf, wenn jemand unangekündigt vorbei kommen will,... Türklingel? Nä! Hör ich nicht!
Tatsächlich bin ich Frau Routine, ich liebe es wenn alles seinen total hervorsehbaren Gang geht. Immer gleiche Abläufe und Gegenstände geben mir Sicherheit und ich liebe diese verdammte Sicherheit! Wenn ich einmal was mag, bleib ich dabei, dass hat bereits in meiner Kindheit bei Spaghettieis angefangen, heute 25 Jahre später bleibe ich immer noch dabei. Es hat mich noch nie enttäuscht, im Gegensatz zu so einigen anderen Eisbechern. Bei Göttergatte war es das Gleiche, als ich ihn gefunden hatte wusste ich, dass es das war, er war mein Spaghettieisbecher. Veriebt, verlobt, verheiratet, so einfach war das (selbstverständlich erst nach vielen Jahren der Prüfung ob er nicht doch ein getarnter Banana-Split-Becher ist).
Und tatsächlich muss ich mir eingestehen, dass es etwas Ähnlichkeiten mit der Schwangerschaft hat. Ich war schwanger und plötzlich nicht mehr, aber so wie es normal weitergeht, wenn man nicht mehr schwanger ist, so war es eben nicht. Nur bin ich vermutlich zu perfektionistisch um das hinzunehmen. So wie es geendet hat, war es kein Spaghettieis und ICH WILL MEIN SPAGHETTIEIS. Das heißt ich will mein Baby. Ich wollte lange Zeit noch schwanger sein, ich habe lange Zeit etwas im Bauch gespürt was da nicht war. Meine Frauenärztin hat vermutlich gedacht ich ticke nicht richtig, weil ich sie gefragt hatte ob da zufällig irgendwas drin sei, was Honigmelonengröße haben könnte. Aber es hat sich eben so angefühlt, ich konnte mich nicht auf den Bauch legen, es ging einfach nicht. Dann habe ich gegoogelt, Krebs konnte ich ausschließen, sonst ja immer die erste Google-Diagnose, aber ich bin auf etwas interessantes gestoßen: Phantomschmerzen bei Menschen mit Amputationen. Tatsächlich gibt es dieses Phänomen wirklich, da haben Menschen gefühlt Schmerzen in dem Körperteil was gar nicht mehr bei Ihnen ist und so ähnlich erkläre ich mir auch meine Schmerzen. Vielleicht habe ich es so intensiv wegem dem Fetozid gespürt? Ich weiß es nicht, aber möglich wäre es laut meiner eigener Logik.
Nachdem ich mir also meine Erklärung für meine Schmerzen zurecht gelegt hatte, beschloß ich gesund zu werden. Ihr lacht? Ja, lacht, habe ich auch, tatsächlich gibt es unglaublich viele lächerliche Dinge die ich seitdem tue, vollkommen egal, es macht Spaß. Zu beschließen gesund zu sein ist gar nicht mal so leicht, denn es ist viel gemütlicher sich im Elend zu sulen und Schmerzen zu haben. Die Welt ist gemein und böse, ich habe nicht nur Schmerzen im Bauch sondern auch eine Spinalnerventzündung (das sind tatsächlich Schmerzen wie Hölle), mein Baby ist tot mimimimimi,.... sich dann selber innerlich wie  Major Pain anzubüllen und  zum "Klar-kommen" zu verdonnern, das erfordert doch einiges mehr an Disziplin und Wille.
Aber in Kombination mit meiner heißgeliebten Akupunktur bringt es wirklich was. Ich zwinge mich aktiv mich mit dem Tod meiner Tochter auseinanderzusetzen, mich Situtationen auszusetzten die schwer für mich sind, immer in Sicherheit aber dennoch immer ein Stück mehr.
Stück für Stück kämpfe ich um meine Normalität und mittlerweile fühle ich mich so wohl! Babykilos sind immer noch drauf? Egal, ich bin glücklich. Eine Zeit lang, das heißt  ungefähr zwei Tage, war ich vollkommen frei von Kinderwunsch. 48 Stunden sind wirklich lange, wenn du davor besessen von dem Gedanken warst. Dann habe ich darüber nachgedacht und nun möchte ich wieder schwanger werden und es nicht immer noch sein.
Klar wünschen Göttergatte und ich uns einen kleinen Mini-Us, aber es hat Zeit, denn wenn es so weit ist wird es alles wieder so schnell gehen. So, freuen wir uns auf das Zukunftssbaby sind aber glücklich mit Gegenwartsnichtbaby und dem Goldstück auf seinem Stern.
Wieder schwanger werden zu wollen ist sehr viel schöner als immer noch schwanger sein zu wollen und es lohnt sich darüber nachzudenken, denn man sollte schließlich für den folgenden Wurm bereit sein. Man sollte sich wirklich bereit dafür fühlen, nichts wäre doch schlimmer, als in einer neuen Schwangerschaft zu merken, dass es zu früh war, man noch nicht wieder bereit ist. Natürlich bekommt man auch diese Gefühle in den Griff, aber es ist sicherlich leichter, wenn sie davor bereits aufgearbeitet wurden. Mein Körper war also mal wieder schlauer als ich und es war mit Sicherheit richtig eine neue Schwangerschaft nicht zuzulassen bisher, denn wenn ich ehrlich bin wäre ich vermutlich noch  gar nicht wieder bereit gewesen auch wenn es der einzige Wunsch in meinem Herzen war nach Goldstücks Tod. Auch solche Gefühle ändern sich also mit der Zeit und das ist gut so. Es ist so wie ein Spruch der mir neulich ins Auge gesprungen ist: Vewandelt, nicht vergessen, ist was war.
Ich drücke euch alle von Herzen, habt Mut euch euren eigenen Gefühlen zu stellen, es lohnt sich! Man kann so sehr an sich selber wachsen!

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