Erinnerungen schaffen

Wenn ein Baby geboren wird, dann werden Bilder mit der Familie gemacht, die ersten Söckchen und der erste Strampler werden in eine Kiste gepackt, dann folgt die erste Haarlocke, der erste Zahn, davor vielleicht ein Bild vom ersten Lächeln, mit Sicherheit aber das erste selbst gemalte Bild, die Kiste füllt sich. Selten werden diese Stücke herausgenommen, jeder neue Tag bringt schließlich neue Erinnerungen mit sich.
Doch was machen wir? Wir die wissen, dass unser Baby nicht lange bei uns sein wird. Ein paar Stunden, im besten Fall ein ganzer Tag, ist alles was uns bleibt um Erinnerungen zu schaffen die das ganze Leben halten. Halten müssen, denn es werden keine mehr dazu kommen, wenn das Baby tot ist.
Tatsächlich haben wir eigentlich ganz gut vorgesorgt gehabt. Wir hatten eine Spiegelreflexkamera dabei, ein Gipsabdruckset für Hände und Füße in 3D und unser Hochzeitsbild auf dem alle Gäste einen Fingerabdruck hinterlassen haben. Goldstück war der Ausschlag dafür, dass wir bereits letzten Mai heirateten und nicht noch etwas gewartet haben. Sie war dabei, also sollte ihr Abdruck auch mit aufs Bild.
Tja und dann war sie da und ich wollte weder ihre kleine Hand noch ihren kleinen Fuß in Gips tunken. Ich konnte nicht, es erschien mir falsch, verwerflich, ich wollte sie nicht schmutzig machen. Auch mit der großen Kamera wollte ich nicht, es war mir zu nah, zu mechanisch, ich wollte einfach nur mein Goldstück im Arm halten, ihren kälter werdenden Körper wärmen, ihr Leben einhauchen.
Selbst als mein Mann die Abdrücke mit Tinte machte, war mein einziger Gedanke, sie wieder sauber zu machen. Heute weiß ich, wie wichtig es gewesen wäre, wenn da jemand gewesen wäre, der Erinnerungen für uns gesammelt hätte, der die Abdrücke gemacht hätte, Fotos von uns drein zusammen, der uns gesagt hätte, dass die Kliniktinte nach wenigen Tagen am Licht zur Unkenntlichkeit verblasst, der uns gesagt hätte, nehmt die Decke mit, in der ihr sie eingewickelt habt, deckt sie mit einer anderen wieder zu.
Die Momente sind verloren, unwiederbringlich, es ist schade, aber ändern kann ich es leider nicht mehr. Es bleibt einem also mal wieder nur das Übliche übrig, es hinzunehmen, Ärger verrauchen und Schmerz freizulassen. Natürlich kann ich mich darüber ärgern, mich fragen warum keiner mal in diesem Moment für uns denken konnte, für uns da sein hätte können, aber es bringt mir nun mal nichts. Vielleicht konnte es eben niemand, vielleicht sind die Gedanken und Bilder im Kopf dadurch intensiver, rede ich mir ein.
Für alle anderen Eltern wünsche ich mir jedoch ebendiesen  jemand der Erinnerungen der zarten Stunden zusammen sammelt, wie eine Biene die Blütenstaub sammelt. Jemanden, der vorsichtig auf den Moment-Blumen landet und das Wertvollste aufnimmt, aufsammelt um es dann abzuliefern damit die Mama es zu Honigerinnerungen  verwandeln kann. Bitte nehmt Angeboten wie die von "Dein Sternenkind" an, klärt mit Hebammen ob ihr bessere Tinte haben könnt oder etwas mitbringen müsst, holt, wenn es jemand schafft jemanden dazu der im Hintergrund agiert und einfach für euch funktioniert, der diese Erinnerungen sammelt, denn man kann tatsächlich Dinge vermissen, die man nie besessen hat.


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