6 Monate

Heute vor genau 6 Monaten bist du auf die Welt gekommen mein Schatz, einen Tag davor bist du gestorben.
Und trotzdem wächst meine Liebe zu dir jeden Tag.
Ich bin nicht mehr so traurig, wenn ich an mein Goldstück denke, der Schmerz, sie nicht mehr körperlich bei mir zu haben, der hat mich damals fast verrückt werden lassen.
Heute ist es okay. Du bist nicht mehr hier, aber so nah bei mir wie es nur geht. Ich trage dich im Herzen, im Kopf, überall wo ich bin, da bist auch du und ich bin sehr glücklich.
Würde ich es SO zu schätzen wissen, dich zu haben, wenn du da wärst? Die Frage stelle ich mir in letzter Zeit häufig, wenn ich andere Eltern ansehe, Eltern die gleichzeitig mit uns schwanger waren.
Erschreckender Weise gibt es da viele Eltern die ganz und gar nicht glücklich sind. Natürlich gibt es auch die glücklichen, aber das sind irgendwie nur 50%. Der Rest ist abgehetzt, hat keine Zeit mehr für sich und trötet dies in die Welt hinaus und einige Paare stehen kurz vor der Trennung.
Wir hingegen stehen als Paar sehr eng beieinander, denken heute voller Stolz und Glück an unsere Tochter, unser erstes Baby. Der Tag ist etwas besonderes und somit ist dieser Post heute auch besonders.
Eine sehr liebe Mama hat mir geschrieben, dass sie vor 2 Wochen ihren Sohn tot auf die Welt bringen musste. Ebenfalls ein Gendefekt, ebenfalls lange Zeit unbemerkt. Die Klinikhebamme hat Bilder gemacht, hat sie ermuntert ihren Sohn anzuschauen, es wäre ihm optisch nichts anzusehen, aber sie hatte Angst. Wollte ihn nicht anschauen, zu groß die Angst das Bild einer Kinderleiche nicht mehr aus dem Kopf zubringen.
Ich kann es so gut verstehen, liebe Mama, die du so viel Vertrauen in mich hast, dass du mir so kurz nach diesem furchtbaren Verlust das alles geschrieben hast. Ich habe Hochachtung vor dir! Zwei Wochen danach lag ich mit meinem Hund auf der Couch, Rolladen unten und habe mich und die Welt gehasst, zu schwach um dem Wunsch alles kurz und klein zu schlagen nachgehen zu können (da hat meine schöne Wohnung nochmal Glück gehabt...).
Du liebe, traurige Mama hast mich gefragt, ob ich mich nicht vor meinem Kind geekelt habe, was mir dabei durch den Kopf ging und ob sie ein Bild von meinem Goldstück sehen dürfte, wo ich doch sage, dass sie wie ein normales Baby nur in schmal aussieht, bevor sie den Mut finden könnte ihre eigenen Bilder anzusehen.

Ja, du darfst und ich werde dieses Bild hier veröffentlichen, denn ich möchte jeder Mama Mut machen! Eure Kinder sind alle auf ihre Art und Weise wunderschön! Ihr seid wunderschön! Und ihr könnt stolz auf euch sein! Die meisten Frauen schaffen eine Geburt weil ihr lebendes Kind ihr Ziel ist, was aber will man uns als Ziel setzen? Es muss halt raus, es ist aber tot.
Ich halte trotzdem die Fahne hoch  und sage, dass meine Geburt trotz allem was schief gegangen ist, schön war. Und auch der Moment wo ich sie bekommen habe war wunderschön. Diesen Moment hat mein Mann festgehalten und diesen Moment möchte ich mit euch teilen, es ist vermutlich der persönlichste Moment meines bisherigen Lebens und dennoch gehört er hierher: (Achtung, mein Kind hat keinerlei äußerlich sichtbaren Verletzungen oder Mißbildungen, dennoch ist es ein Bild von einem totem Baby und ich bitte euch, fragt euch selber ob ihr es sehen könnt und wollt, vor allem für Leser, die nicht selber davon betroffen sind, Elternteil eines Sternenkindes zu sein und noch nie ein totes Kind gesehen haben!)
Das Bild ist wirklich direkt nach der Geburt entstanden, da war sie keine 3 Minuten auf der Welt und ich die stolzeste Mama unter der Sonne, ich bin heute noch SO verliebt in mein Goldstück, Sie hat die Nase und Lippen ihres Papas, ihre kleine Hand hat perfekt um meinen Finger gepasst, sie war gemacht dafür mir diesen Moment zu schenken! Ein Kind zu bekommen, welches tot ist, ist nicht schrecklich, es ist traurig, aber nicht schrecklich. Es sollte nicht passieren, aber wenn es passiert, bleibt da immer noch die Liebe. Ich finde es doof, dass diese Geschichten immer so zerstörerisch geschrieben werden, wenn sie denn veröffentlicht werden. Es gibt so viel schönes dabei, denn ändern kann man die Situation nicht mehr, sich dann dabei noch auf das Schlimme zu fokusieren hilft keinem, denn es ist bereits schlimm genug für die Eltern. Ich wünsche mir mehr positive Berichte von so etwas und bitte nicht nur die, die dann von einer positiven Folgeschwangerschaft erzählen. Geschichten die den Eltern ihre Trauer und Wut zusprechen, aber gleichzeitig Mut für die Zeit die kommt machen. So, dass auch Schwangeren die diese Geschichte lesen nicht der kalte Schweiß ausbricht. Denn treffen kann es uns leider alle, es zu verdrängen ist schön, aber es bringt einem spätesten dann nichts mehr, wenn man in der Situation ist.
Mein Goldstück, heute wirst du 6 Monate und du bist das Beste was mir passiert ist, ich liebe dich, dir kann nie wieder etwas passieren. Wenn andere Mütter Angst haben müssen, dass ihre Kinder auf die schiefe Bahn geraten, wirst du immer mein kleiner braver Engel sein um den ich mir nie Sorgen machen muss. Dir wird nie einer wehtun, du wirst nie heulen, weil dich einer im Kindergarten gekniffen hat und das ist gut so. Du hast mich schlafen lassen und warst somit das liebste Erstgeborene überhaupt :-D. Das nächtliche Geweine und damit verbunden Aufgestehe heben wir uns für dein Geschwisterchen auf, wann immer es kommen mag.  Das kannst du dann beschützen, kleine Maus, die Aufgaben der großen Schwester treffen dich also noch im Himmel wie du siehst. Mama und Papa denken heute noch ein Stück fester an dich, danke, dass es dich gibt! ♡


Kommentare

  1. Wow Gina, danke für diese schönen Zeilen. Und auch für das Foto. Du siehst toll aus und Deine Kleine auch. Ich war nur ein heulendes Etwas. Konnte der Situation gar nichts schönes abgewinnen - auch wenn ich es mir fest vorgenommen hatte. Aber ich habe ihn gehalten, geküsst, gekuschelt, gewaschen, angezogen und immer wieder geküsst, geküsst, geküsst. Wir hatten unseren Sohn über die Nacht bis zu unserer Entlassung mittags bei uns. Dieser Abschied war so wichtig. Und ich bin dankbar, dass wir die Möglichkeit hatten, ihn auch beim Bestatter nochmal auf den Arm zu nehmen. Kann auch nur sagen: Fürchtet euch nicht vor diesem Moment, so schlimm er auch ist. Nehmt euer Kind in den Arm und nehmt es an. Ihr werdet es lieben, wie es ist. Auch die Fotos, die wir gemacht haben, sind so enorm wichtig für mich und ich bin froh, dass ich sie habe. Schließlich bleibt einem - außer den Erinnerungen - nicht viel "Greifbares"...

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  2. Danke Dir vielmals! Das habe ich auch alles mit ihr gemacht und es war so wichtig für mich, aber ich verstehe auch die Angst vor dem Moment. Ich darf dir auch ein ganz dickes DANKE von besagter Mama ausrichten, zu lesen, dass es dir in dem Moment schlecht ging, du deinen Sohn aber trotzdem auch angenommen hast und lieben konntest hat ihr sehr geholfen!
    Und du hast recht, uns bleibt so wenig Greifbares, da sind die Fotos unglaublich wertvoll!

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